Was ich aus einem Jahr Selbstständigkeit gelernt habe

Es gibt keinen Fahrplan. Keine Liste mit Punkt eins bis zehn, die abgearbeitet und abgehakt werden kann. Kein Drei-Schritte-Programm mit der Garantie auf Erfolg und Glückseligkeit. Als ich am Briefkasten stand und den Umschlag mit meinem Antrag auf Gründungszuschuss einwarf, zitterten meine Hände und mir war flau im Magen. Auf genau diesem Antrag stand das Datum 24.1.18 als Start meiner Selbstständigkeit. Ein Tag, der für manche vielleicht nur ein unscheinbarer Mittwoch Ende Januar war, veränderte für mich vor einem Jahr alles.

Sehr lange war ich davon überzeugt, dass Selbstständigkeit so gar nichts für mich sei. Zu viel Unsicherheit, zu viel Verantwortung, zu viel ungeregelte Arbeitszeiten. Dann kam das Leben seines Weges und belehrte mich eines Besseren. Statt Sicherheit als höchstes Gut anzusehen, liebäugelte ich immer mehr mit der Freiheit. Machte mich nebenberuflich mit meinem Blog und als freie Redakteurin selbstständig, schnupperte in erste Arbeitserfahrungen außerhalb der Festanstellung hinein und entdeckte Coaching für mich. Meine Ausbildung zum systemisch-integrativen (ein langes Wort für einen sehr schönen, kraftvollen und ganzheitlichen Coachingansatz) Coach brachte dann auch den letzten Stein ins Rollen und machte mir klar, was ich wirklich will.


Frei sein. Schreiben. Coachen. Die Welt verändern.


Heute sitze ich hier und kann auf mein allererstes Jahr in der Selbstständigkeit als Coach und Autorin zurückschauen. Auf 12 Monate, die mich und mein Leben grundlegend auf den Kopf gestellt haben. 2018, das war nicht nur ein Jahr voller bunter Erlebnisse und schöner Inspirationen (hier habe ich euch davon ausführlich berichtet), sondern auch ziemlich tough. Was hätte ich in dieser Zeit für einen 10-Punkte-Plan oder 3-Schritte-Programm gegeben. Einen Leitfaden, der mir ganz genau sagt, was ich wann, wie und wo zu tun habe. Eine Anleitung für dieses Abenteuer. Bei Ikea wird die schließlich auch immer mitgeliefert.

Was ich aus einem Jahr Selbstständigkeit gelernt habe / Theresa Kellner

Dieses Abenteuer ist jedoch, wie ich ein Jahr später weiß, mein Abenteuer und somit genauso einzigartig wie ich. Es gibt keine Vorlage und kleine Blaupause. Nicht mal der von mir geschriebene Businessplan, der mit guten Absichten meinem Antrag im Januar letzten Jahres beilag, sollte sich als handfeste Roadmap geschweige denn als exakte Zukunftsvorhersage herausstellen.



Es kam alles anders als gedacht



ist eine der großen und wenig überraschenden Erkenntnisse, die ich hatte. Und so viel mehr habe ich auf meiner Reise und meinem ersten Jahr Selbstständigkeit gelernt. Ein paar meiner Erkenntnisse habe ich in Ruhe notiert und möchte sie hier mit euch teilen.

Meine Erkenntnisse aus einem Jahr Selbstständigkeit:

1) Alles braucht seine Zeit

Bisher habe ich mich immer als einen wenig geduldigen Menschen gesehen (eine Überzeugung, die ich mir in diesem Jahr vorknöpfen werde) und ich muss heute schmunzeln, dass ausgerechnet ich die Entscheidung getroffen habe, mein eigenes Unternehmen zu gründen. Eine Selbstständigkeit aufzubauen heißt nämlich, viiiiiiiieeeeeel Z E I T zu investieren und vor allem dem Lauf der Dinge ihre Z E I T zu lassen. Auch wenn auf dieser Welt ein paar Geschichten zu Ausnahmefällen kursieren, den Erfolg über Nacht gibt es nicht. Vielmehr ist ein eigenes Unternehmen wie der Samen einer Pflanze, die ganz viel Zeit (und Fürsorge) benötigt, um von einem kleinen Korn in der Erde zu einem stattlichen Baum heranzuwachsen. Da hilft kein übermäßiges Düngen und auch kein Ziehen an den Zweigen. Die ersten Blätter und Blüten zeigen sich genau dann, wenn es sein soll. Im Umkehrschluss bedeutet das: Es braucht Zeit bis Ideen umgesetzt sind, der richtige Moment für manche Projekte gekommen ist und die eigene Selbstständigkeit auf festen Beinen steht.

2) Es ist chaotisch, anstrengend und eine Achterbahn der Gefühle

Wir leben in einem Social Media Zeitalter, in dem wir auf Instagram & Co. vor allem die schönen Seiten des Lebens gefiltert zu sehen bekommen. Das ich Teil dieser Welt bin, ist mir bewusst. Ich mag es, den Blick vor allem auf das Schöne zu lenken und zeige euch aus diesem Grund auch lieber einen achtsam gedeckten Tisch als den vollen Wäscheständer oder die Momente, in denen ich mich verzweifelt ins Bett verkrieche. Im Laufe des letzten Jahres habe ich begriffen, wie wichtig es ist, dass auch ich mir immer wieder bewusst mache, dass die Fotos im Internet bloß ein Ausschnitt der Wirklichkeit sind und lachende, erfolgreiche Menschen an ihren Laptops lediglich die eine Seite der Medaille. Den Weg in die Selbstständigkeit zu wählen, ist ein Weg ohne Garantie und Sicherheit. Sehr oft chaotisch (und damit meine ich nicht nur den Dschungel der Bürokratie), anstrengend (wenn mal wieder alles anders kommt als gedacht) und eine totale Achterbahn der Gefühle (bei ungeplanten größeren Ausgaben oder Dingen, die schiefgehen). Das größte Glück ist es bei dieser Achterbahnfahrt dann, wenn man wie ich auf ganz wunderbare Menschen in seinem Leben und ihre Unterstützung zählen kann.

3) Den eigenen Weg zu gehen, heißt den eigenen Weg zu gehen

Und alle so: Was? Ich erkläre es mal anders: Von Natur aus liebe ich es Ordnung, Struktur und einen exakten Plan zu haben (na, wer erkennt die Ironie?) und habe deshalb schnell begriffen (siehe oben: es gibt keinen Fahrplan), dass das was für andere passt und funktioniert, noch lange nicht für mich passen und funktionieren muss. Natürlich gibt es Tipps, Tricks und Kniffe, die für viele Selbstständige und Unternehmer anwendbar sind, aber letztendlich ist der eigene Weg eben komplett individuell und einzigartig. Und das bedeutet für mich: Dinge ausprobieren, immer wieder Neues wagen, auf meine Intuition hören - und eigene Strukturen entwickeln. Das Schönste daran: Ich darf jeden Tag Neuland entdecken, mich weiterentwickeln, spannende Menschen kennenlernen, mich nach Lust und Laune kreativ austoben und dabei üben, nicht alles so ernstzunehmen.

Meine Erkenntnisse aus einem Jahr Selbstständigkeit / Theresa Kellner

4) Jede Herausforderung ist eine Einladung zum Wachsen

Irgendwo habe ich mal den Satz gelesen “Wenn es leicht wäre, würde es jeder machen.” und auch jetzt würde ich ihn sofort unterschreiben. Eine Selbstständigkeit ist etwas bei dem man scheinbar ein Abonnement auf Herausforderungen gratis mit dazu bekommt. Kaum ist die eine Frage gelöst oder ein schwieriges Problem behoben, taucht die nächste Aufgabe oder Überraschung auf. Irgendwann habe ich beschlossen, dass ich einfach jede dieser Herausforderungen als Einladung zum Wachsen sehen möchte und sie mit offenen Armen in meinem Leben begrüße. Denn was ich nicht weiß, kann ich lernen und zu jedem Problem lässt sich eine Lösung finden. Das was ich vor ein paar Monaten schrieb - “Ein leichter Weg sieht anders aus, aber ich kann mir dennoch keinen erfüllenderen vorstellen” - sehe ich auch heute noch genauso.

5) Commitment ist alles

In so manchem Moment im Laufe des letzten Jahres (wenn ich bis spätabends am Wochenende noch arbeitend am Computer saß oder nicht wusste, wie ich die nächste Miete bezahlen sollte) habe ich mich gefragt, wieso ich mich eigentlich auf dieses Abenteuer einlasse und nicht einfach das Handtuch werfe. Warum ich den Weg mit den Herausforderungen wähle. Woher der enorme innere Antrieb kommt, der mich jeden Tag auf’s Neue für meinen Traum losgehen lässt. Bis zum jetzigen Zeitpunkt kann ich das nicht genau beantworten, aber ich weiß, dass genau dieses Durchhaltevermögen - mein Commitment mir selbst und meinen Wünschen gegenüber - die Geheimzutat ist, die ich als Unternehmerin brauche. Commitment ist Hingabe, Stärke, Willenskraft, Liebe und Vertrauen. Die stillste Art von Mut - und Mut war mein Wort für 2018. Seit dem letzten Jahr hat es eine rundum neue Bedeutung für mich bekommen und wenn ich eines weiß, dann dass ich mich zu 100% auf mich verlassen kann und auch in diesem Jahr für meine Vision dranbleibe.


Auf diese und viele weitere große und kleine Erkenntnisse stoße ich heute Abend dankbar an, gönne mir zur Feier des Tages meine Lieblingspizza und lasse mich vorfreudig in mein zweites Jahr der Selbstständigkeit hineinfallen. Mit offenen Armen und einem offenem Herzen empfange ich alles, was es für mich bereithält und freue mich darauf meinen Weg weiterhin mit euch zu gehen!

Alles Liebe

Theresa

p.s. ihr habt weitere Fragen rund um das Thema Selbstständigkeit oder eigene Erfahrungen? Dann lasst es mich gerne in den Kommentaren wissen!